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Studienfahrt durch Israel / Palästina 2023
18.10.2023
Vom 28. Juli – 8. August 2023 begaben wir uns gemeinsam mit dem Fachbereich ev. Theologie der Universität Siegen und 35 Studierenden auf eine Studienfahrt ins Heilige Land. Lasst euch mitnehmen auf unsere Reise:
Freitag 28.7. Von Frankfurt nach Tel Aviv
Unser Flugzeug (Lufthansa LH 694) startete um 12.25 Uhr in Frankfurt / M. Die Mehrzahl unserer Gruppe traf sich schon um 6.30 Uhr am Siegener Hbf, um den Shuttle-Bus zum Flughafen zu nutzen. Alexander von „Ochels Reisedienst“ fährt uns sicher und entspannt. Um 9.00 Uhr war die große Gruppe von 35 Studierenden (+ 3 vom Leitungsteam) vollzählig. Und wir fliegen bei schöner
Sicht nach Tel Aviv, wo wir pünktlich ankommen. Hier erwartet uns unser Reisebegleiter Shibli Fawagra, ein arabischer Tour-Guide aus Betlehem, mit dem wir die nächsten 12 Tage verbringen werden. Die Begleitung durch Shibli war ein Glücksfall. Freundlich und kenntnisreich, bei unvorhersehbaren Komplikationen ein echtes Organisationstalent, konnte er uns viel über die Heiligen Stätten und über die Lebensverhältnisse in Israel erzählen, auch wenn er besonders die arabische Perspektive betonte. Am Ende haben wir Shibli alle in unser Herz geschlossen. Unser Busfahrer Jamal chauffiert uns durch den Berufsverkehr nach Tiberias, wo wir unser erstes Quartier beziehen. Mehr als das, denn das Restal-Hotel ist eine „kulinarische Fundgrube“. Müde und hungrig
machen wir uns über einen überreich gedeckten Tisch her und genießen die reifen Früchte, die Salate und vieles andere mehr. Anders als in Tel Aviv (35 Grad) zeigt Tiberias eine „heiße Wand“ am See Genezareth (40 Grad), die uns die nächsten Tage noch ordentlich ins Schwitzen bringt. So ward Abend und Morgen – der erste Tag.
Samstag 29.7. Auf den Spuren Jesu am See Genezareth
Am frühen Morgen fahren wir zum Berg der Bergpredigt, wo der Kirchenbaumeister Antonio Barluzzi im frühen 20. Jh. inmitten eines paradiesischen Gartens eine „Kirche der Seligpreisungen“ errichten ließ. Nonnen achten auf Stille und auf züchtige Kleidung. Wir hören die Seligpreisungen der Bergpredigt, während eine afrikanische Pilgergruppe in Sichtweite eine Messe feiert, und wandern eine gute halbe Stunde, das große Landschaftspanorama des Sees Genezareth fest im Blick, den Berg hinab zum Ufer des Sees nach Tabgha (Heptapegon = Siebenquell), dem traditionellen
Ort der wunderbaren Brotvermehrung (Mk 6,30-44). Auf dem Andachtsplatz „Dalmanutha“, direkt am Ufer des Sees im wohltuenden Schatten feiern wir mit Pfarrer Ralph van Doorn und Anna Lena Schwarz einen Gottesdienst und erinnern uns an die Wirksamkeit Jesu am Ufer dieses gewaltigen Sees. Vom Beginn seiner Wirksamkeit in Kafarnaum bis zur Erscheinung des Auferstandenen im Johannes-Evangelium ist das „Meer von Tiberias“ eine Landschaft, die in die Jesusgeschichte eingeschrieben ist. Und wir stehen nun auch an seinem Ufer. In der Kirche der Brotvermehrung wollen wir uns die herrlichen Mosaiken mit dem berühmten Abendmahlsmotiv anschauen, aber
der Altarraum ist abgesperrt und die Mosaiken im Mittelteil werden gerade restauriert, so dass wir den Mosaikkünstlern unmittelbar bei der Arbeit zuschauen konnten. Die byzantinischen Vogelmotive (der Pfau als Ewigkeitssymbol) haben wir später in Kfar Hanokdim dann noch in natura be-
wundern können. Wir stellen das Programm etwas um und fahren anschließend mit dem Boot über den See. Der Blick vom Wasser geht über blaue Wellen auf eine bergige Landschaft, in der die Fischer Petrus und Johannes, aber auch Maria aus Magdala zu Hause waren, bevor sie Jesus nachfolgten.
Danach ist Mittagspause mit „Petersfisch“ oder Falafel und Badezeit, die Gelegenheit mal in den See zu springen. Aber bei 34 Grad Wassertemperatur ist das keine super Erfrischung. Nach der Mittagspause fahren wir erst zur Taufstelle Jesu am Jordan, jedenfalls zu der Stelle, die heute den
Tourist:innen gezeigt wird. Das NT lokalisiert die Taufe Jesus viel weiter südlich in die Nähe des Toten Meeres, wo heute aber Grenz- und Sperrgebiet ist. Der Besuch der schwach frequentierten Taufstelle (nur wenige Pilgerinnen in weißen Kleidern im Wasser) gibt uns die Möglichkeit, uns über die Taufe und ihre Theologie auszutauschen. Den Abschluss dieses ersten schönen Tages
bildet Kafarnaum, der Ort, an dem Jesu Wirksamkeit einst begann. Die schönste antike Synagoge im Heiligen Land (aus dem 5. Jh.) ist hier zu bewundern. Leider war die Kirche über dem Haus des Petrus durch einen Gottesdienst belegt. Aber hinter der Kirche bietet das Seeufer einen phantastischen Ausblick im späten Licht des Nachmittags. Und auch die berühmten Fallwinde, die nachmittags über dem See Genezareth für 1-2 Stunden aufziehen, fahren uns in die verschwitzte Kleidung. Das war der erste Tag, den wir zum Akklimatisieren und Ankommen gebraucht haben.
Ziemlich heiß! Genug trinken, die Möglichkeit des Schattens nutzen … und die Augen und Ohren aufsperren. Danke, guter Gott! So ward es Abend und es ward Morgen – der zweite Tag.
Sonntag 30.7. Tell Hazor, Jordanquellen, Tell Dan und Israels Norden
Unser Reiseführer Shibli ist der Meinung, dass wir das Tagesprogramm nur dann bewältigt bekommen, wenn wir die Mittagspause in Banjas selber organisieren, weil wir sonst auf die Wanderung zum größten Wasserfall Israels bei Banjas verzichten müssten. Der Weg führt am Morgen Richtung Norden bis zum Tell Hazor, der Überreste einer der größten kanaanäischen Städte der
Bronzezeit birgt. Josua soll diese biblische „Königin der Städte“ erobert haben (Jos 11). Im noch morgendlichen Licht erkunden wir den Tell, der prachtvoll in der Landschaft liegt, staunen über die Ausmaße der 60 ha großen Stadtanlage und suchen in dem rekonstruierten Königspalast der späten Bronzezeit nach Brandspuren, die auch Professor Naumann nicht mehr finden konnte. Bis
heute ist nicht geklärt, wer für das vernichtende Feuer verantwortlich ist, das um ca. 1250 v.C. diese damals größte Stadt in Palästina (oder zumindest ihre Palastanlage) zerstörte.
Dann geht es ganz in den Norden, wo in den Ausläufern des Libanongebirges der Jordan mit seinen drei Quellflüssen entspringt. Die Landschaft ist erstaunlich fruchtbar – der Obstgarten Israels. Das Naturschutzgebiet bietet uns eine dichte, subtropische Vegetation und überall sprudelndes, klares Wasser. Hier im Norden lag die altisraelitische Stadt Dan, die nördliche Grenze des biblischen Israel („von Dan bis Beerscheba“). König Jerobeam richtete hier im späten 10. Jh. v.C. ein Heiligtum ein, dessen Reste wir dank der Umrisse eines überdimensionierten Hörneraltars
inmitten des kanaanäischen Heiligen-Bezirks zumindest erahnen konnten. Eindrucksvoll ist die gewaltige eisenzeitliche Toranlage mit dem Fundament eines königlichen Thronsitzes. Wir erinnern daran, was in der Bibel im Stadttor geschieht (Rut 4; 2 Sam 15). In der Mauer wurde 1993 die sog. Davidhaus-Inschrift gefunden, der bisher einzige außerbiblische Nachweis für die Existenz
König Davids. (Im Israel-Museum werden wir die Inschrift dann im Original sehen.) Etwas weiter sehen wir inmitten von langgestreckten Avocado-Plantagen ein noch älteres, bronzezeitliches Stadttor von Dan ganz in Lehmziegelbauweise – 4500 Jahre alt.
Weiter geht es nach Banjas oder ins neutestamentliche Cäsarea Philippi. Ein altes Pan-Heiligtum in einer Felsengrotte wurde in röm. Zeit in eine Anlage mit vielen Tempeln umgebaut – deren Überreste wie an eine riesige Felswand geklebt erscheinen. Nach der ntl. Überlieferung spricht Petrus hier auf Jesu Frage, wer er sei, sein Messiasbekenntnis (Mt 16). Wir erinnern uns mit Blick
auf die sprudelnden Wasserteiche an diese Geschichte. Aber zuvor haben wir im Schatten ein ausgiebiges Picknick eingenommen, das Jamal und Shibli am Morgen besorgt hatten und nun für alle austeilten. Neben dem obligatorischen Fladenbrot mit Hummus gab es zum Dessert reife Wassermelone, direkt aus der Hand geschnitten und bei 35 Grad einfach köstlich. Erst so gestärkt
machen wir unsere Besichtigungstour ins antike Caesarea und danach unternehmen wir noch eine ca. einstündige Wanderung zum berühmten Wasserfall. Von dort müssen wir aber glücklicherweise nicht zurück laufen, sondern Jamal erwartet uns mit dem „gekühlten“ Bus bereits am dortigen Parkplatz und wir steigen ein, müde und verschwitzt und – wohl wissend, dass wir jetzt vor allem nur noch Auto fahren. Es geht über den Golan, an der (heutigen) syrischen Grenze und den Blauhelm-Stationen vorbei über den langen Höhenzug des Golan, bis wir nach über 2 Stunden Busfahrt am Abend in Nazareth ankommen. So ward es Morgen über Tiberias und Abend über Nazareth – der dritte Tag.
Montag 31.7. Akko, Megiddo und Nazareths Kirchen
Unser erstes Ziel am Morgen ist Akko, wo wir uns die Festungsbauten aus der Kreuzfahrerzeit anschauen, von denen noch richtig viel zu sehen ist und die super präsentiert werden. Shibli führt uns durch den am Vormittag lebendigen Basar (Suq), bis zum Hafen, wo wir über die mächtigen Hafenbefestigungen aufs windbewegte blaue Meer schauen. Von seiner Seeseite war Akko uneinnehmbar. Noch heute soll zu den Mutproben der Jungen der Sprung von der Mauer ins 10m tiefere Meer gehören (Kopfsprung nicht verpflichtend!). Während die große Karawanserei gerade restauriert wird und nicht zugänglich war, konnten wir doch die Weiße Moschee (osmanischer Rokkoko-Stil) mit ihrem idyllischen Innenhof besichtigen. Für ihren Bau im 18. Jh. wurden antike
römische Säulen aus Caesarea herangekarrt. Nur das „Barthaar des Propheten“, das als Reliquie hier gezeigt wird, haben wir nicht zu sehen bekommen. Weil es uns in Akko so gut gefallen hat, ändern wir das Programm, nehmen uns 1,5 Stunden zur freien Verfügung und zur Mittagspause
in der Altstadt, verzichten auch wegen des Verkehrs auf die Durchfahrt durch Haifa und über den Karmel und fahren direkt zum Tell Megiddo, einer der größten Städte des alten Kanaan und des späteren Israel, die ihre Bedeutung ihrer Lage an der alten Handelsstraße via maris verdankt. Ein Film im superkalten (18 Grad klimatisierten) Vorführraum macht uns mit Israel Finkelstein, dem aktuellen Ausgräber von Megiddo bekannt. Ein Stadtmodell des israelitischen Megiddo hilft uns, die Stadtanlage zu verstehen, die wir auf dem Tell dann besichtigen (Kammertor, Pfeilerhäuser, Getreidespeicher). Wir sehen den „Schumacher-Graben“ mit dem bronzezeitlichen Rundaltar liegen, reflektieren die „Sünden“ der Archäologie, die nicht nur ausgräbt, sondern auch zerstört, und durchwandern den dem berühmten König Ahab zugeschriebenen Wasserkanal aus der israelitischen Königszeit, der unter der Stadtmauer hindurchführt. Die Königsstadt Megiddo war immer wieder Aufmarschort und Garnison für berühmte Schlachten in der Jesreel-Ebene. Der ägyptische
Pharao Thutmosis III. focht hier 1457 v.C. die Schlacht von Megiddo. Assyrische Inschriften schreiben König Ahab in 9. Jh. v.C. 10.000 Streitwagen zu (vielleicht aus Megiddo?). Kein Wunder, dass Megiddo als Ort großer Schlachten auch in der Johannesoffenbarung wiederkehrt – als
Ort der endzeitliche Schlacht von Har-Mageddon (= Berg bei Megiddo).
Nach der Rückkehr nach Nazareth haben wir noch Zeit, die berühmten Kirchen zu sehen, die sich der Erinnerung an Gabriels Erscheinung vor Maria widmen: Zunächst die orthodoxe Gabrielskirche, in der noch die Quelle gezeigt wird, an welcher nach griechischer Tradition der Erzengel Gabriel zuerst Maria erschienen war. Ein goldenes Mosaik an der Außenmauer glitzerte wunderschön im Abendlicht. In der reich dekorierten Kirche wird gerade eine Messe gelesen, aber der Priester war allein – ohne Gemeinde – und sang seine Liturgie mit Geduld und Inbrunst – allein für Gott. Wir waren so still wie möglich. In der Josefskirche dachten wir an den sozialen Vater von Jesus. Schön, dass der Zimmermann Josef auch eine Kirche abbekommen hat, die in Nazareth allesamt über frühchristlichen Erinnnerungsorten errichtet wurden. Endlich wartet dann die große katholische Verkündigungsbasilika, die größte Kirche im Nahen Osten, über der Mariengrotte. Ein Betonbau aus den 1960er Jahren, der aber durch bunte Glasfenster in ein farbenfrohes Licht getaucht wurde. In der Kirche und in ihrem Umkreis laden zahlreiche Mariendarstellungen aus aller Marien Länder zum Verweilen ein. Die deutsche Marien-Darstellung soll den Fall der Berliner Mauer 1989 prophetisch vorweggenommen haben, erklärt unser Guide. Shibli ist Spezialist für
Pilgertouren. Er weiß viel zu erzählen und kennt als Muslim auch die biblischen und nachbiblischen Geschichten. Nach so viel Marias sind wir erschöpft und müde. Und dann erklärt die eine Maria aus unserer Gruppe (M. Espinosa), dass Maria jetzt nur noch müde ist und nach Hause will. So kehren wir nach einem langen Tag ins Hotel zurück. Es ward Abend und es ward Morgen – der vierte Tag.
Dienstag 1.8. Von Nazareth nach Jerusalem
Am Abend zuvor hatten wir schon Gelegenheit, das moderne Nazareth am Abend kennen zu lernen. Nazareth ist seit Alters her eine arabisch und christlich geprägte Stadt. Erstmals wird uns klar, dass die orientalischen Vorstellungen von einem guten Leben nicht mit mitteleuropäischen
harmonieren. (Dreck, Abfall, Plastikmüll, wohin man schaut.) Das werden wir auch später noch in Betlehem sehen. Israel ist nicht nur das gut funktionierende westliche High-tec-Land der großen Städte am Meer, sondern noch vieles mehr. Unser erstes Ziel ist das Bibeldorf „Nazareth Village“.
In diesem „lebendigen Museum“ werden wir mit den dörflichen Lebensverhältnissen zur Zeit Jesus konfrontiert. Angeleitet von einem charismatischen Erklärer begegnen wir einem Bauern beim Worfeln, einer jungen Frau namens Hannah beim Spinnen und Weben, Josef in seiner Zimmer-
mannswerkstatt und einem jungen Töpfer an der Töpferscheibe. Alles in antiker realistischer Ausstattung. Wir bekommen ein Rollgrab, einen Weinberg, Viehzucht (Schafe und Esel) und den Nachbau einer Synagoge aus der Zeit Jesu zu sehen. Der Shop bietet jede Menge interessanter Kleinodien. Wie sollte es dann erst in den Basars von Jerusalem werden? Wir nehmen Abschied
von der Stadt Jesu - mit einer kleinen Öllampe als Geschenk aus dem „Village“ – und fahren durch das fruchtbare Harod-Tal ins Jordantal hinunter. Hier gibt es neben dem Tell von Bet Schean Überreste der hellenistisch-römischen Stadt Skytopolis zu bewundern, die größte Ausgrabung einer römischen Stadt in Israel und deutlich imposanter als Caesarea Maritima.
Wir liegen gut in der Zeit und können Bet Schean noch vor der großen Mittagshitze besichtigen. Im Hintergrund ruft der Tell mit schattenlosen 150 Stufen Aufstieg. Wir teilen die Gruppe: Wer die römische Stadt mit Shibli erkunden möchte, bleibt bei ihm, wer auf den Tell steigen will, geht mit
Professor Naumann. Und wer sich ganz ausruhen will, bleibt mit einem kalten Getränk im Schatten sitzen. Nach einer Stunde sind wir wieder hier. Eine wirklich große Gruppe hat trotz beträchtlicher Hitze natürlich den Tell erstiegen und den grandiosen Blick über das ganze Jordantal in sich aufgenommen, wo das jordanische Bergland herübergrüßt. Es wurden Gruppenfotos von den „Held:innen des Aufstiegs“ gemacht, die Überreste einer ägyptischen Garnison aus dem 13.-11. Jh. v.C. (verwahrloste Stelen-Attrappen aus Pappmaché) besichtigt und unter einem Schattendach des toten König Saul gedacht, der auf den nahen Bergen von Gilboa mit seinen Söhnen gefallen war, und dessen Leichnam die Philister an den Mauern von Bet Schean geschändet haben sollen
(1 Sam 31). Auch En Dor, die Heimat jener berühmten Totenbeschwörerin aus 1 Sam 28 grüßt herüber.
Shibli hat uns noch ein Naturschwimmbad unterwegs versprochen. Vorher machen wir einen kleinen Abstecher zur antiken Synagoge von Bet Alfa (6. Jh. n.C.), deren gut erhaltene und etwas naive Mosaiken in der Kunstwelt berühmt sind, gerade weil sie offenbar von Anfängern stammen. Ein gut gemachter Film gibt hier einigen Aufschluss. Aber auf das theologisch wichtige Bildprogramm, dass die „Bindung Isaaks“ (Gen 22) den jüdischen Tempelkult in Jerusalem begründet, an den in der Synagoge gedacht werden soll, darauf geht der Film leider gar nicht ein. Und Patrick, der seine Promotion zu diesem Thema geschrieben hat (2021), ist erkennbar verstimmt.
Dann aber machen wir einen außerplanmäßigen Halt im Freibad „Gan HaSchloscha“. Ein natürlicher Wasserlauf mit herrlich frischem und klarem Wasser wird in mehreren großen Staubecken aufgestaut, die zum Schwimmen und Baden (inmitten kleinerer und größerer Fische) einladen; dazu ein großes Freigelände. Hier gönnen wir uns zwei erholsame Stunden beim Schwimmen, Planschen und Chillen. Die Weiterfahrt tief ins Jordantal hinein führt nun jetzt erstmals in die Westbank. Wir machen einen nur kurzen Stopp in der 8000-jährigen Palmenstadt Jericho. Ein erstes voll mit roten Troddeln behängtes Kamel auf einem Parkplatz lädt Besucher zu kleinen Reittouren ein. Ein Händler bietet nicht nur das immer wichtige WC, sondern auch die berühmten Madjoul-Datteln, für die Jericho in der ganzen Welt berühmt ist. Leute! Wir stehen gerade am tiefsten Punkt der Welt (440 m u. M.) und sehen über die Palmenoase hinweg das Tote Meer leuchten. Nach Jericho hinein zum Tell es-Sultan fahren wir allerdings nicht, weil die Stadt am Morgen polizeilich abgesperrt wurde und wir nicht wissen, ob wir wieder aus der Stadt herauskommen würden.
Dann nehmen wir die Straße von Jericho nach Jerusalem, wo auf einer Strecke von 25 km 1100 Höhenmeter zu überwinden sind. Shiblis geniale Zeitplanung hat dafür gesorgt, dass wir pünktlich um 17.00 Uhr Jerusalem erreichen und auf dem Skopusberg ankommen. Und hier sehen wir im Abendlicht erstmals die goldene Stadt (natürlich Gruppenfoto!), bevor wir unser Hotel im griech.-kathol. Patriarchat mitten in der Altstadt gleich neben dem Jaffa-Tor beziehen. Das Quartier ist eines der schönsten der ganzen Reise: große Zimmer, freundlicher Service und eine Dachterrasse mit atemberaubenden Nahblick auf Felsendom und Erlöserkirche unterm Vollmond, während die patriotische Musik von der israelischen Jerusalem-Lightshow vom Davidturm herüber klingt. Die Terrasse bietet uns das erste Mal die Möglichkeit, zusammen zu sitzen und Eindrücke auszutauschen. Gleichwohl machen sich eine Reihe von Studierenden unter Ralph van Doorns kundiger Führung später noch auf, um der lebendigen Kneipenszene im nahe gelegenen Westjerusalem einen Besuch abzustatten. So ward Abend und es ward Morgen – der fünfte Tag.
Mittwoch 2.8. Jerusalem – Heilige Stätten der Christenheit
Wir fahren am Morgen zum Kamm des Ölbergs. Hier erwartet uns ein großartiger Blick über die Gräberfelder hinab zum Kidrontal und hinüber zum Tempelberg. Wir wollen den Weg Jesu von Getsemani nach Golgota nachvollziehen und beginnen mit der Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg, die heute eine Moschee ist. Die Kreuzfahrer errichteten sie auf den Mauern einer byzantinischen Basilika, an der Stelle, an der Jesus zum Himmel aufgefahren sein soll (Fußabdruck). Wir steigen allmählich herab, besuchen den Garten Getsemani mit seinen uralten Olivenbäumen und die Kirche „Dominus flevit“ (der Herr weinte), wo wir auf eine farbenfroh gekleidete Pilgergruppe
aus Burkina Faso treffen. An der Talsohle des Kidrontales wartet die orthodoxe Kirche des Mariengrabes. Dann steigen wir über das Löwentor hinauf in die Altstadt und gehen die Stationen der Via Dolorosa entlang. Die St. Anna-Kirche mit ihrer wunderbaren Akustik hat es uns besonders angetan. Junge Männer aus D/Österreich geben ein kleines Konzert liturgischer Gesänge, deren
Klangwelten unmittelbar ins Herz treffen. Daneben konnten die Überreste des Teiches von Bethesda und die herodianischen Wasserspeicher nicht mithalten. Das Mittagessen in einem armenischen Restaurant nahe dem Österreichischen Hospiz hatte Shibli bereits klug vorausorganisiert. So konnten wir nach 40 Minuten Erholung weiter gehen und inmitten der Basare dann die Grabeskirche erreichen, wie üblich über das ärmliche äthiopische Kloster auf dem Dach. Wie immer war es sehr voll um das Heilige Grab. Das lange Warten an der sanierten Anastasis wurde uns zusätzlich dadurch schwer gemacht, dass orthodoxe Priester unentwegt ihre Weihrauchgefäße schwenkten. Einigermaßen benebelt traten wir dann ein in den Heiligsten Ort der Christenheit und danach besuchten wir Golgota, Salbstein und die Helena-Kapelle.
Danach ist Zeit zur freien Verfügung und wir haben die Gelegenheit die Jerusalemer Altstadt auf eigene Faust zu erkunden. Und am Abend wieder nach Westjerusalem oder auf die Terrasse unterm Vollmond in unserer Herberge bei Bier, Chips und „Werwolf“. So ward Abend und es ward Morgen – der sechste Tag.
Donnerstag 3.8. Jerusalem als Hauptstadt Israels
Am Morgen fahren wir ins Hadassa-Hospital, das Großkrankenhaus und Einkaufs-Mall verbindet. Unser Ziel sind die 12 berühmten Glasfenster von Marc Chagall zu den Stämmen Israels. Zunächst bekommen wir eine Einführung in die Entstehungsgeschichte des berühmten Krankenhauses, das im 19. Jh. von engagierten Frauen zur Versorgung aller Kranken gegründet wurde (Hadassa ist der hebr. Name für Ester). Die Morgensonne bringt dann die bunten Glasfenster Chagalls, die jener nach Jakobs Segenssprüchen an seine 12 Söhne entworfen hat (Gen 49), auf spektakuläre Weise zum Leuchten. Da wir in Jad Vaschem erst einen Termin um 16.00 Uhr bekommen konnten, bleibt etwas Zeit im Hadassa-Hospital, bevor wir weiter zum Parlamentsge-
bäude (Knesseth) und zur großen Menora fahren. Die Menora wurde vom Dortmunder Künstler Benno Elkan geschaffen, der einst vor den Nazis aus Deutschland fliehen musste. Er hat sie mit zentralen Ereignissen der biblischen und jüdischen Geschichte zu einem nationalen Symbol des Staates Israel gestaltet.
Anschließend wartet das Israel-Museum. Am großen Stadtmodell des herodianischen Jerusalem machen wir uns nochmals die wichtigsten Gebäude des antiken Jerusalem und die konkrete Lage der Westmauer klar. Es ist sehr heiß und jeder Schatten ist erwünscht. Glücklicherweise ist der Schrein des Buches klimatisiert, der den Handschriftenfunden aus der Wüste Juda gewidmet ist. Die große Jesaja-Rolle aus Qumran wird hier in einer allerdings schlechten Kopie gezeigt. Im Untergeschoß aber ist der „Kodex von Aleppo“ zu sehen, die älteste und sorgfältigste hebräische Bibelhandschrift der Welt, um die es in den letzten Jahren so viel Aufregung gab. In der archäologischen Sammlung sehen wir wenigstens kurz die berühmten Funde aus Megiddo, Arad, Hazor, Tell Dan, Masada.
Endlich Jad WaSchem – die Erinnerungsstätte an die millionenfache Judenvernichtung durch die deutschen Nazis. Leider hatten wir hier nur 60 min Zeit. Das war viel zu wenig: Das Museum, die Halle der Kinder, das Denkmal von Janusz Korczak (Manche Schulen in NRW tragen seinen Namen); die ewige Flamme, die Allee der Gerechten mit dem Grabmal Oskar Schindlers, ein Viehwaggon aus den Vernichtungslagern über dem Abgrund … – geballte Beklemmung, und ohne Worte.
Lea geht es nicht gut. Mückenstiche haben ihr Bein infiziert. Shibli kann einen Arzt erreichen, der ins Hotel kommt und Lea behandelt, so dass es ihr die nächsten Tage besser geht. Auch ein erster Covid-Fall erfordert Vorsicht und Isolation für die Betroffene. So ward es Abend und es ward Morgen – der siebte Tag.
Freitag 4.8. Davidstadt und jüdische heilige Orte
Wir fahren mit dem Bus zum Tempelberg, beginnen den Tag mit den Ausgrabungen im archäologischen Park „Ophel“. Vom herodianischen Bodenniveau aus ist die Zinne des Tempels 80m hoch. (Vgl. nur die Versuchungsgeschichte Jesu.) Das ist zu sehen. Die gewaltigen Steine verschlagen einem den Atem. Wir machen uns die mächtigen Aufgänge über Treppen, Bögen und Brücken klar, über die man einst in den Tempel hinaufstieg. Und auf der Südseite sind die antiken Tore im Mauerwerk noch zu sehen.
Danach steigen wir nicht hinauf, sondern hinab in die Davidstadt und besichtigen die wenigen altisraelitischen Überreste Jerusalems, das auf dem Südosthügel außerhalb der heutigen Altstadt lag. Wir steigen noch tiefer in das Wassersystem bis zur Gichon-Quelle hinunter, wo wir inmitten zyklopischer Befestigungsmauern den Eingang in den Wassertunnel finden, den König Hiskia im 8. Jh. v.C. anlegen oder ausbauen ließ, um angesichts der assyrischen Belagerung Jerusalems das Gichon-Wasser in die Stadt zu leiten. Es ist ziemlich viel Betrieb und außer uns wollen auch andere Gruppen durch den Tunnel. Mit kleinen Lampen ausgerüstet, durchwaten wir im manchmal kniehohen Wasser den 560 m langen völlig dunklen und vielfach gewundenen Tunnel und erreichen nach ca. einer unvergesslichen knappen Stunde wieder das Tageslicht: Den Teich von Schiloach, ein Wasserbecken im Ausgrabungszustand des 1. Jh. n.C. Nach dem Neuen Testament hat Jesus an diesem Wasserbecken geheilt. Hier also wären die Steine zu finden, die Jesus
berührt haben kann. Glücklicherweise wartet unser Bus hier, so dass wir nicht in der Mittagsglut in die Altstadt hinaufsteigen müssen.
Nun gehen wir durchs Jüdische Viertel der Jerusalemer Altstadt, das nach 1967 neu erbaut wurde. Hier finden sich Synagogen, Lehrhäuser, Restaurants, Geschäfte – und vor allem jüdisches Leben im unmittelbaren Umkreis der „Westmauer“. Die goldene Menora (eine Nachbildung aus dem Allerheiligsten des herodianischen Tempels) fällt uns ebenso ins Auge wie das Stück der
„großen Mauer“ aus der Hiskija-Zeit. Wir gehen auf den Überresten des Cardo, jener byzantinischen Prachtstraße, die im 5. Jh. vom Säulentor ausgehend (heute: Damaskustor) alle großen Kirchen der Stadt verbunden hatte. Jerusalems Stadtplan dieser Zeit ist auf der berühmten Jerusalem-Vignette aus dem Mosaikfußboden der Kirche von Madaba (Jordanien) dargestellt; der
ältesten Karte des Heiligen Landes (6. Jh.). Inzwischen ist es Mittagspause. Jetzt macht jeder sein Ding in der Altstadt von Jerusalem, um Abschied zu nehmen und noch Souvenirs einzukaufen. Das Gewirr der Gassen kommt uns mittlerweile schon weniger unübersichtlich vor. Um 16.00 Uhr treffen wir uns wieder an der Erlöserkirche (am Muristan), gehen gemeinsam zur Westmauer
(hebr. Ha-Kotel = Die Mauer), dem heiligsten Ort des Judentums und erleben jüdische Frauen und Männer, die (streng getrennt natürlich) intensiv beten und an den gewaltigen Steinen Gott nahe sind. Ca. 2 Stunden bleiben wir inmitten des Treibens, das von der Vorbereitung auf den Schabbat bestimmt ist. Anschließend erwartet uns unser Bus an der Südseite und bringt uns
durch den Checkpoint an der Sperrmauer in die Westbank nach Beit Jala zur „Herberge Abrahams“, dem Gästehaus der lutherischen Gemeinde dort, wo wir mit einem Abendessen erwartet werden. Für unsere Covid-geplagte Mitreisende bekommen wir ein Extra-Zimmer. Der Abend auf der Terrasse lädt zum Reden und zum Chillen ein. Aber auch die Werwolf-Fans setzen ihr in Jerusalem begonnenes Spiel fort. So ward es Abend und es ward Morgen – der achte Tag.
Samstag 5.8. Betlehem und seine Umgebung (Herodeion, Shiblis Hunde, Hirtenfelder)
Shibli, unser Guide, ist in Betlehem zu Hause. Er entstammt einer alteingesessenen muslimischen Familie. Und so lässt er es sich nicht nehmen, uns zu Fuß durch den Markt von Betlehem zu führen, wo uns vor allem das frische Obst neben ziemlich viel Unrat in die Augen springt. Hier
grüßt und kennt er viele Leute und ist erkennbar stolz, fast 40 junge Leute aus Deutschland durch den Ort zu führen. Irgendwann landen wir doch an der Geburtskirche, eine der ältesten Kirchen der Christenheit, die erst vor wenigen Jahren gründlich saniert wurde. In der Geburtsgrotte mit dem berühmten Stern wird noch Gottesdienst gefeiert, und da wir früh dran sind, sind wir zwar
die ersten an der Rotunde, müssen aber fast eine Stunde warten, melodische Gesänge der Byzantiner im Ohr, bevor wir die Treppe in die Grotte hinuntersteigen können. Aus aller Herren Länder kommen Christinnen und Christen an diesen Ort der Geburt des Erlösers. Danach bleibt noch
etwas Zeit, um die wieder hergestellte bauliche Schönheit der Geburtskirche näher in Augenschein zu nehmen, mit ihren goldgelben Säulen, den Mosaiken auf Goldgrund und der Engelprozession an der oberen Fensterreihe, durch die die Gläubigen vom Eingang bis zur Geburtsgrotte geleitet werden. Leider können wir die frisch restaurierten Reste des Mosaikbodens der konstantinischen Basilika nicht sehen, die abgedeckt bleiben. Danach steigen wir in die Grotten hinab, in denen wechselweise an Ereignisse der Weihnachtsgeschichte (Kindermord von Betlehem, Anbetung der drei Könige) oder an den Kirchenvater Hieronymus gedacht wurde. Der letztere hat finanziell unterstützt von zwei vermögenden Frauen aus Rom viele Jahre in einem Kloster in Betlehem gelebt, die Bibel ins Lateinische übersetzte (Vulgata), und ist hier auch begraben worden. Wir lassen es uns nicht nehmen, in den Grotten, die auch für Gottesdienste von Pilgergruppen eingerichtet sind, Weihnachtslieder zu singen („Oh, Du fröhliche …).
Danach bringt uns der Bus heraus aus Betlehem zum nahe gelegenen Herodeion, einem weithin sichtbaren Kegelberg, den König Herodes künstlich erhöhte und mit einer kreisrunden Festung ausstattete. Das ist ein gewaltiges im ganzen Orient einzigartiges Bauwerk, das die kreisrunden Mausoleen römischer Kaiser nachahmt. Hier soll Herodes nach den archäologischen Befunden auch begraben sein. Der Berg bietet einen wunderbaren Blick in das judäische Bergland, hinüber nach Tekoa, der Heimat des Propheten Amos, oder nach Osten zum Toten Meer hin. Im Herodeion ist in den letzten Jahren viel gegraben und rekonstruiert worden, so dass es für interessierte Tourist:innen wie uns wirklich viel zu sehen gibt:einen Audienzsaal, der im Zusammenhang des jüdischen Aufstands gegen die Römer in eine Synagoge umgewandelt wurde, überkuppelte Baderäume und riesige Zisternen, ein kleines Amphitheater und Fresken aus herodianischer Zeit, die von einer munter deutsche Sprachbrocken plaudernden jungen Angestellten des Nationalparks
behütet wurden.
Vom Herodeion fahren wir ein Stück zu Shiblis Olivengarten. Unser Guide hat die ganze Gruppe in seinen privaten Garten eingeladen, schon damit wir seine beiden Hunde kennen lernen können, von denen er immer wieder im Bus erzählt hat. Doch was für ein Schock: Der Schlüssel war in Betlehem geblieben. Nach einiger Aufregung gelingt es Shibli, das hintere Gartentor aufzumachen, und dann saßen wir auf der noch sehr provisorischen Terrasse, aßen Falafel oder
Schawarma im Fladenbrot, tranken Cola oder Tee, mit Blick über die weiten Hügel zum Herodeion hinüber, während die beiden Hunde jede Menge Streichel-Liebhaber:innen fanden. Die letzte Station an diesem Tag waren die Hirtenfelder in Bet Sahur bei Betlehem. In einer der Grotten hielten
wir eine kleine Andacht, dachten daran, dass die Hirten auf den Feldern von Betlehem die ersten waren, welche die Kunde von der Geburt Christi vernahmen und die Weihnachtsbotschaft formulierten: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Frieden auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen.“ (Luk 2,14). Die Kirche (wieder von Antonio Barluzzi) wartete mit schönen Mosaiken und einer
noch schöneren Akustik auf. So war des Singens und Klingens kein Ende ….
An diesem Abend trafen wir uns noch für eine Stunde mit dem evangelischen Gemeindepfarrer Tannous aus Beit Jala, der uns über die keineswegs leichte Lebenssituation der christlichen Gemeinde in Palästina/Westbank berichtete und auch für Rückfragen zur Verfügung stand. So ward es Abend und es ward Morgen – der neunte Tag.
Sonntag 6.8. Vom Felsendom über Hebron in die judäische Wüste
Das geplante Programm für diesen Tag wäre zeitlich nicht zu schaffen. So haben wir es mit Shiblis Erfahrungen und Ideen umgestellt. Früh am Morgen verlassen wir „Abrahams Herberge“, um noch einmal nach Jerusalem zu fahren. Im Morgenlicht besuchen wir den Tempelberg mit dem blau-goldenden Felsendom, dem ältesten und berühmtesten Prachtbau der islamischen Welt. Zunächst beeindruckt uns aber die riesige Plattform des Heiligen Bezirks, die einst Herodes auf dem felsigen Untergrund Jerusalems errichten ließ. Sie ist das gewaltigste noch heute erhaltene antike Bauwerk in Jerusalem. Dann aber stehen wir vor der Goldenen Kuppel, die jeder in der Welt kennt und mit Jerusalem verbindet. Der Omayyaden-Kalif Abd el Malik hat den Felsendom 682 n.C. mit Hilfe von byzantinischen Architekten und Mosaik-Künstlern erbauen lassen, um Jerusalem als islamischen Pilgerort aufzuwerten, und um die christliche Grabeskirche baulich zu überbieten. Die Koranzitate in den umlaufenden Bändern setzen sich mit den christlichen Ansichten auseinander,
die aus islamischer Sicht falsch sind. Leider können wir den Bau nur von außen bewundern. Wir verlassen den Haram an der Nordseite und gehen zur Erlöserkirche, wo wir am evangelischen Gottesdienst teilnehmen. Wir sind zu früh, aber die Morgenstimmung in der Altstadt hilft, nach den vielen Sinneseindrücken etwas herunter zu kommen und sich auf den Gottesdienst einzustellen, der dann mit Abendmahl stolze 1,5 Stunden dauert, aber zu einem geistlich und musikalisch sehr festlichen Erlebnis wird. Unsere Gruppe wurde besonders begrüßt. Man hatte mit uns gerechnet und auch das Abendmahl für so viele Personen entsprechend vorbereitet.
Dann verlassen wir das angenehme Sommerklima von Jerusalem und fahren nach Hebron, der alten Königsstadt Davids, wo wir die Patriarchengräber besuchen. Professor Naumann ist begeistert, denn aus Sicherheitsgründen war ein Besuch bei früheren Exkursionen nie möglich. In Hebron werden die Gräber Abrahams und Saras (Gen 23), Isaaks und Rebekkas, sowie Jakobs und
Leas verehrt (Gen 23). Nach manchen Traditionen soll auch Josef hier begraben sein. Der gewaltige Bau, dessen Grundmauern wieder auf König Herodes zurück gehen, ist heute die große Moschee von Hebron. Ein Teil ist aber für jüdische Gläubige abgeteilt, so dass beide Gruppen separate Zugänge zu den Sarkophagen der Patriarchen haben. Wir kämpfen uns bei enormer Hitze
durch verschiedene Sicherheitsschleusen, können aber schließlich sowohl den jüdischen wie den islamischen Teil des Gebäudes sehen, sehen die berühmten Sarkophage und bekommen noch ein Gesangsständchen von einem jüdischen Rabbiner vorgetragen. Alles wirkt sehr geschäftig. Ein gemeinsames Heiligtum für drei Religionsgemeinschaften ist keine ganz einfache Angelegenheit. Schon in der Antike gab es für Juden und Christen in Hebron verschiedene Eingänge, und die politisch brisante Lage im gegenwärtigen Hebron tut ein Übriges. Aber wir haben es erlebt.
Von Hebron aus fahren wir tief hinein in die jüdäische Wüste in das touristisch sehr gut ausgestattete Beduinen-Camp Kfar Hanokdim, wo die meisten von uns die Nacht in einem Großzelt verbringen werden. Leider sind inzwischen einige aus unserer Gruppe gesundheitlich deutlich angeschlagen. Aber für die meisten erzeugt dieser malerische Ort inmitten der judäischen Wüste einen absoluten Wow-Effekt. Wir werden in einem Großzelt mit einer beduinischen Kaffeezeremonie begrüßt, erfahren einiges über das Leben der Beduinen im Negev. Anschließen geht es auf Kamelen eine reichliche halbe Stunde in die abendliche Wüste hinein. Unsere große Gruppe bildet eine stattliche Karawane. Und endlich wartet ein reichhaltiges Abendessen im Zelt auf uns, während die Sonne hinter den Bergen untergeht.
Als es dunkel ist, hat unser Betreuer Elijah noch eine besondere Überraschung. Für Abenteuerlustige mit festem Schuhwerk bietet er eine Skorpion-Tour an. Über 20 Unentwegte sind dabei und lassen sich im Schein der Speziallampen unterschiedliche Skorpione zeigen und erklären. Und natürlich beginnt die Tour mit dem „gefährlichsten Skorpion der Welt“ – und das in freier Wildbahn.
So gefährlich ward es Abend und es ward Morgen – der zehnte Tag.
Montag 7.8. Die Felsenfestung Masada, Qumran, das Tote Meer und der Weg nach Tel Aviv
Am nächsten Morgen bekennen manche, nicht allzu viel geschlafen zu haben. Aber die Nacht in der Wüste will kaum jemand missen. Besonders die Morgenstimmung, wenn es hell wird und erst viel später die Sonne über den östlichen Tafelbergen glutrot aufgeht … das ist unbeschreiblich. So nehmen wir Abschied von diesem spektakulären Ort, fahren nur ein paar Minuten durch die
Wüste und halten an der berühmten Felsenfestung Masada. Leider haben sich die letzten beiden Tage die gesundheitlichen Probleme bei einigen aus der Gruppe verstärkt. Aber diesmal können sie im Bus bleiben und müssen sich nicht den Berg hinaufquälen.
Die allermeisten fühlen sich gesund genug. Und wir steigen eine halbe Stunde den Weg an der Römerrampe hinauf nach Masada. Und dann stehen wir 450 m über dem Toten Meer auf dem Tafelberg, den Herodes zu dieser berühmten Festung ausbauen ließ, und der zum letzten Widerstandsnest der jüdischen Aufständischen im Krieg gegen die Römer wurde. Wir hören die berühmte Rede des Elazar über den kollektiven Selbstmord, so wie sie Flavius Josephus überlieferte, machen uns die Vielzahl der Bauten und vor allem die ausgeklügelte Wasserversorgung klar, die es sogar erlaubt, Planschbecken an diesem trockenen Ort zu unterhalten. Trotz der Hitze lassen es sich einige nicht nehmen, in den tiefer gelegenen Nordpalast hinabzusteigen und dann auch wieder hinauf. Und vor allem genießen wir die atemberaubende Sicht auf das Tote Meer und die umgrenzenden Berge. Die Seilbahn bringt uns hinunter, wo der Bus wieder auf uns wartet und uns am Westufer des Toten Meeres nach Qumran bringt. Unterwegs weist Ralph darauf hin, dass es nicht die zum Selbstmord entschlossenen Aufständischen, sondern mit Rabbi Jochanan ben
Zakkai diejenigen Juden waren, die mit den Römern Kompromisse eingingen, die das Überleben des Judentums sicherten und das rabbinische Judentum schufen.
Inzwischen halten wir an der berühmten Siedlung von Qumran, nehmen nach einem Film die archäologischen Überreste und die Höhlen in Augenschein. Dann drängt es uns hinab an den Strand des Toten Meeres, dessen hoher Salzgehalt einen solchen Auftrieb erzeugt, dass man nicht untergeht. Wir probieren es ausgiebig aus.
Von Qumran aus geht es direkt nach Tel Aviv, genauer nach Old Jaffa, wo unser letztes Hotel liegt. Der Autoverkehr in der rush hour über Jerusalem nach Tel Aviv ist sehr beschwerlich. So kommen wir erst am Abend an und der Programmpunkt, Rundfahrt durch Tel Aviv (weiße Stadt u.a.) und die berühmte Strandmeile der israelischen Hauptstadt muss entfallen. Da es wenige Tage zuvor in Tel Aviv einen Anschlag mit Todesfolge gegeben hat, empfiehlt unser Guide den Nachtschwärmern, nicht nach Tel Aviv zu gehen, sondern eher in Old Jaffa zu bleiben. So müssen wir auf die Begegnung mit der sprudelnd-lebendigen Hauptstadt Israels schweren Herzens verzichten. Wir trösten uns damit, dass Tel Aviv für jeden immer leicht erreichbar ist. Das lässt sich nachholen. Inzwischen haben sich auch nach den Anstrengungen der letzten Tage, körperliche Schwächen und positive Covid-Tests verstärkt, so dass viele angeschlagen und einfach froh sind, im Hotel zu sein. Nicht aber Diana, die unter ihrem Sonnenhut gesund und munter blieb. Ihr war es gelungen, eine Verwandte in Tel Aviv ausfindig zu machen, die sie bisher gar nicht kannte. Und
die beiden haben sich gefunden, am Abend verabredet und so erstmals kennengelernt. Was für eine schöne Geschichte am Rande. So ward es Abend und es ward Morgen – der elfte Tag.
Dienstag 8.8. Leicht angeschlagen, aber voller Eindrücke zurück nach Frankfurt
Um 12.00 Uhr wartet der Bus, der uns zum Flughafen bringen wird. Den Vormittag verbringt jeder nach eigener Neigung. Die gesundheitlichen Probleme in der Gruppe haben sich verstärkt. Auch Professor Naumann ist Covid-positiv. So geht unsere Exkursion mit der Sorge bei manchen zu
Ende, den Rückflug einigermaßen überstehen zu müssen. Aber wie schon in den früheren Tagen, passt eine auf die andere auf und es gibt in unserer Gruppe eine große, heitere und fürsorgliche Solidarität und Empathie. Viertel vor 12 Uhr treffen wir uns nochmals in der Hotel-Lobby und danken unserem Guide Shibli für seine hervorragende Begleitung unserer Exkursion in den letzten beiden Wochen. Er gesteht, dass es für ihn eine besondere Herausforderung war, eine Universitäts-Exkursion zu begleiten. Aber er hat mit seinem Wissen, seiner Erfahrung, seinem organisatorischen Geschick, seinem Humor und seiner Freundlichkeit viel dazu beigetragen, dass wir diese schöne Reise hatten. Er begleitet uns noch bis zum Flughafen. Dann sagen wir Adieu Shibli „Löwenbaby“. Alles Gute für Dich und deine Familie in Betlehem und Chicago.
Die Sicherheitsschleusen am Flughafen Tel Aviv passieren wir relativ leicht. Leider geht es Hanna schlecht und sie muss am Flughafen notärztlich versorgt werden. Gut, dass es Melike wieder besser geht, und sie als Rettungssanitäterin helfen kann. Der Rückflug verläuft dann problemlos.
Hanna hat sich stabilisiert. In Frankfurt am Gepäcktransportband verabschieden wir uns in der Gruppe. Manche werden hier abgeholt. Viele fahren mit dem Shuttlebus, der uns auf Parkplatz 36 erwartete, sicher nach Siegen. Die Welt und unsere Lieben haben uns wieder!
Eine große gemeinsame Erfahrung liegt hinter uns. Und wir sind alle gut wieder gelandet: „Danke guter Gott für deine Bewahrung!“ Und wenn wir uns wieder erholt haben, dann werden Covid und andere Erschöpfungen am Ende dieser Reise keine Rolle mehr spielen, sondern nur noch die unglaubliche Vielfalt intensiver gemeinsamer Erlebnisse und Erfahrungen im Heiligen Land.
Adieu Israel, Adieu Palästina … bis zu einem nächsten Mal.
(Bericht: Thomas Naumann)